Sonntag, 28. November 2010

Herzscheiße

Präambel: Liebe Leserinnen und Leser, da Frau Paula weiterhin den München Blues schiebt, müssen Sie bis auf Weiteres mit Beiträgen im Sinne von "früher war alles besser und hier ist es blöd, ich will heim und zwar sofort" rechnen.

Ich fliege nach Hause, um im Brandenburgischen meinem pädagogischen Auftrag gerecht zu werden. Im TXL-Bus überfallen mich erste Aggressionen über die völlig unlockeren Touristen, die gar nicht wissen, dass man beim Busfahrer nicht mit Scheinen bezahlen darf und erwische mich bei peinlichen Abgrenzungsmanövern. "Ist der Bus denn so kleen, dit wir alle hier vorne stehn müssn oder wat" raunzt unser zuvorkommender BVG-Fachangestellter und ich will mich mit ihm solidarisieren. Im Zug lerne ich einen Mann kennen, um die 50 seit 30 Jahren in Kreuzberg. Wir reden über die Liebe und das Leben, er erzählt von Scheidungen, Kindern, Frauen, Freundinnen. Die Essenz ist, dass man eigentlich nur gelassen bleiben sollte. Der Zug hat eine Stunde Verspätung, aber ich glaube, wir beide sind eigentlich froh darum, eine kleine Zeitblase zu haben, in der wir weiterreden können. Der Bus zurück zum Flughafen hat einen Unfall, wir können nicht weiterfahren und für einen winzigen Moment kommt mir die Idee, hier und jetzt zu verschwinden. War das nicht ein Zeichen, das ich hätte erkennen sollen? Will nicht sogar die BVG, dass ich wieder nach Hause komme? Im Flugzeug schluchze ich in meine Lufthansa-Serviette und bin fast angewidert von meiner eigenen Theatralik.

Mittwoch, 24. November 2010

Perfektion in der Dunkelheit - Dark Munich IX

Auf dem Weg zu meiner Arbeit gibt es ein Laserskin-Dingens-Studio, wo man seine Tätowierungen weglasern lassen kann. Jugendsünden wie "Bon Jovi 4ever" werden dem Feuer ausgesetzt, an Ort und Stelle verbrannt. Sie hinterlassen die Narbe der unerfüllten Liebe (außer bei ausgewählten Groupies, aber die lassen sich auch nichts weglasern). Man kann sich auch Brust-, Achsel- wahrscheinlich gar Haupthaare weglasern lassen, so dass am Ende eine haarlose, makellose Puppe entsteht mit ein paar Narben, über dem Steiß und auf dem Schulterblatt.
Ein paar Häuser weiter gibt es einen Laden, in dem man sich die Zähne bleichen lassen kann. Alles ist weiß in dem Laden und auf der Glastür steht mit weißer Schrift "ohne medizinische Leistungen".
Jeden Morgen muss ich an diese Dinge denken, an Menschen ohne Haare, ohne Bon Jovi, mit Löchern in ihren strahlend weißen Zähnen und dann gehe ich am Bestattungsinstitut vorbei. München, Deine Perfektion lässt mich schaudern.

Montag, 22. November 2010

Der Sommer kommt

Auch dieses ist von Herrn Mario...wie viele ich da noch im Kopf habe?

Wind quält unsere Gesichter
und wir stehen auf einer Lichtung
Der Förster kommt und füttert die Dachse
während Du
niedliche kleine Blumen pflückst

Lass uns beide kämpfen
sagst Du
und legst mir kleine Küsse auf den Bauch

Der Sommer kommt
und singt Lieder vom Sieg.

Sonntag, 21. November 2010

Amsellied

Der Abend ist ein Amsellied
das ganz kühl sich
auf heiße Wangen legt
und von der Reise singt

Bring mich heim
Bring mich heim
heute noch

Das Gedicht ist von Herrn Mario und wurde mir vor fast zwanzig Jahren auf einer privaten Vinylpressung von mr blue geschenkt. Darauf waren noch mehr vertonte Gedichte von Herrn Mario drauf und sie gehört zu einer der schönsten Schallplatten die ich je hatte. Im Laufe der letzten fünfzehn Umzüge ist diese Platte verloren gegangen, mr blue ist schon lange weg, wer Herr Mario ist, weiß ich gar nicht. Umzüge gehören zu den so genannten 'stressful life events'. Ich dachte immer, nicht für mich - ich bin schon oft umgezogen, ein Umzugsprofi, gewissermaßen. Dass ich diese Platte nicht mehr habe gibt mir das Gefühl, auf dem Weg etwas verloren zu haben. Bring mich heim. Heute noch.

Dienstag, 16. November 2010

never change a winning team...

Prognos hat die zukunfstfähigsten Landkreise und Kommunen ermittelt - wirtschaftlich prosperierend, wenig Armut, viel Dynamik und so weiter. Die meisten GewinnerInnen liegen im Süden der Republik, außer Düsseldorf, glaub ich. Erlangen hat gewonnen. Da war ich noch nie. Und Starnberg und der Landkreis München stehen auch sehr gut da. Auch da war ich noch nie. Die Gewinnerkommunen haben allerdings oft das Problem, dass der Altersdurchschnitt hoch ist. Ich mache es kurz: München hat auch gute Punktzahlen bekommen, es sei aber nahezu unerschwinglich, daher gebe es überdurchschnittlich viele hilfebedürftige Personen (Logik: Starnberg ist erschwinglich?). Über Berlin hat die Sueddeutsche nicht gesprochen.

Ich habe mal ein paar Berater von prognos kennen gelernt. Wir hatten uns nicht viel zu sagen. Aber sie sind sicher nett.

Sonntag, 14. November 2010

Parallelgesellschaften

Eingeweihte LeserInnen wissen, dass ich jüngst zu einer besonderen Form der Selbstverteidigung im Westen war. Jüngst heißt vor drei Tagen und ich musste in Köln-Deutz umsteigen, um ins Bergische zu gelangen (nebenbei: das Bergische, da lacht der gemeine Bayer doch).
Ich stieg aus und war doch etwas geschockt: mir kam ein Mensch mit Hörnern auf dem Kopf entgegen und junge Frauen, höchstens im Abiturientinnenalter waren gekleidet, als würden sie einem Beruf mit viel Körperkontakt nachgehen. Blaue Perücken, Mönche und Gesang.
Es stürmte und mein Zug hatte Verspätung. Zunächst kam mir der Gedanke, dass ich in Bayern einfach wichtige gesellschaftliche Entwicklungen verdrängte. Natürlich wurde mir im nächsten Moment auch klar, dass es sich um Fasnacht/Karneval/5.Jahreszeit handelte, aber dennoch, dieses Befremden wäre mir bei ein paar Bedirndleten nicht gekommen. Bayern ist eben doch eine Parallelgesellschaft.

Donnerstag, 11. November 2010

there is a light that never goes out


Herr Candy liest gerade High Fidelity und will entsprechend auch Listen. Gerade suche ich die fünf besten Songs aller Zeiten. Ist ziemlich schwierig.

Heute morgen dachte ich an "And if a double decker bus crashes into us", das war mir zu deprimierend. Dann an "I want to ride my bicycle". Das war noch schlimmer. Und in der Zusammenstellung hat das alles viel mit Mobilität zu tun.

Es müsste Lieder geben, die zugleich fröhlich und traurig sind. So wie heute früh am Viktualienmarkt. Ein Mann Mitte fünfzig trägt ein Tigerjackett und schmettert Songs von dem Mann, der früher ein Tigerjackett auf der Bühne trug. Die Bühne ist mit Luftballons geschmückt und es stehen etwa zwanzig Personen schweigend herum. Die Sonne scheint.

Mittwoch, 10. November 2010

darkest munich ever: sie haben den Panther

Mir wurde mein Fahrrad geklaut. Vor meinem Büro. In der Au. (Au = superharmloser Kiez in München).

Mein Panther, der sechs Tage unbeschadet am Herrmannplatz stand, der in Neukölln Nächte vor meinem Haus verbrachte, der mich sieben Jahre glücklich durch Kreuzberg, Neukölln und Haidhausen gebracht hat. Der Panther, mit dem ich nächstes Jahr die Alpen überqueren wollte. Vielleicht. Ich hatte vor, ihm endlich einen Fahrradkorb zu kaufen. Ich hätte ihn bestimmt mal wieder aufgepumpt. Wir konnten uns nicht mal voneinander verabschieden.

Falls Lösegeldforderungen eingehen, werde ich umgehend davon informieren.

Dienstag, 9. November 2010

Platt-Woche

Diese Woche ist die allgemeine Woche zum Auspacken platter Geschlechterstereotypen und da möchte ich diversen Amt- und Würdenträgerinnen in nichts nachstehen. Heute stand in der Süddeutschen (die ich noch immer nicht abonniert habe, ein paar Integrationsmerkmal möchte ich mir noch aufheben), dass München die Singlehauptstadt sei und es vor allem mehr Single-Männer als Frauen gäbe. Ich habe sofort messerscharf geschlossen, dass auch SeniorInnen in diese Gruppe gezählt werden und die innere Hypothese einer längeren Lebenserwartung männlicher Münchner aufgestellt. Betrachtet man jedoch die aktuelle Plakatwerbung für Blutwurz (unteres Motiv) wird deutlich, dass es das nicht sein kann. Denn der hohe Alkohol und Fleischkonsum wird dem Münchner Mann sicher eher ein früheres Ableben als beispielsweise dem Hamburger Mann bescheren.
Was also führt zu diesem Kuriosum? Haben einzelne Männer gleich mehrere Beziehungen, so dass pro Mann mehr Frauen entfallen und die übrigen in die Röhre schauen? Führen die Münchner Frauen mehr Fernbeziehungen mit Männern aus Berlin, denen die dünn und dreckig sind statt dick und sauber wie der Penninger-Prototyp? In meiner Sprache sagt man: further research needed.

Montag, 8. November 2010

Sonntag, 7. November 2010

Rind und Meister Lampe

Rinder verfolgen mich. Nachdem mir am Telefon von der Zubereitung einer Rindersuppe erzählt wurde, ich gestern Rinderhackbällchen zubereitete und danach ordentlich Beef hatte mache ich mir Gedanken über mein Verhältnis zur Tierwelt.

Nicht zuletzt, weil ich, zu Inneneinrichtungen befragt, eine Hasenlampe vorschlug. Als nächstes Hobby plane ich ja, Kühe bestimmen zu lernen, als adäquates Gegenstück zur bisher bekannten Ornithologie.

Scheinbar bleibt es hier nicht aus und sei es durch Kuhverfolgungen, sich in irgendeiner Form mit Natur auseinanderzusetzen.

Samstag, 6. November 2010

Beef report 2010



Ich erhalte einen Wissenschaftsnewsletter, indem mir heute 'ein globaler Blick auf Rindfleisch' angekündigt wurde. Nicht, dass das uninteressant wäre, aber ich finde das Leben insgesamt schon recht komplex (die ganzen Machtverhältnisse und Strukturen und all das), so dass ich das mit dem Rind ausblende.

Bei der Reflexion über die Rezeption des Beef Reports 2010 fiel mir allerdings auf, dass mir in München, obwohl es in jedem Reiseführer als unmöglich bezeichnet wird, mehr bekennende VegetarierInnen oder VegetarierInnen-to-be begegnet sind, als in anderen Gegenden der Republik. Das Schöne in München ist nämlich, dass aufgrund der Angepasstheit der Durchschnittsbevölkerung Subversion ganz einfach wird. Wer in Neukölln sagt, dass er/sie VegetarierIn sei erntet ein müdes Lächeln, selbst VeganerInnen zählen als Mainstream. Aufmerksamkeit würde man dort eher mit dem öffentlichen Verspeisen eines 'sauren Lüngerls' erhalten.

Hier trifft die Aussage 'ich bin Vegetarierin' auf ein ungläubiges 'echt?! Und wie machst Du das - ich meine hier?'. Vielleicht lese ich jetzt doch den Beefreport, dann kann ich auftrumpfen.

Donnerstag, 4. November 2010

true faith - Popper IV / Dark Munich VII

München ist zur Zeit ein New Order Cover, genauer das Cover von 'true faith'. Man kann hier vielleicht nicht wirklich im Park herumtänzeln und singen 'I feel so extraordinary' aber ich wage die Hypothese, dass das mit dem Laub und dem Himmel hier irgendwie schöner ist als anderswo.

Gleichzeitig hat es, wie es zu New Order passt, auch immer die düstere Seite: wiege Dich nur im Vertrauen und geh ohne Mütze aus dem Haus, die Milde hier soll Dich in Sicherheit wiegen, damit Du denkst, der Winter kommt nie 'I used to think that the day would never come'.

wherever I lay my head

Ein bisschen mulmig war mir schon bei meinem letzten Besuch in der alten Heimat. Unüblicherweise war ich am Potsdamer Platz untergebracht, musste an den Gendarmenmarkt und hatte auch sonst kaum Gelegenheit, wirklich zu Hause zu sein. Scheinbar gab es jedoch Ankündigungen meines Besuchs, denn auf der Friedrichstraße waren im Schaufenster von Frankonia Dirndl zu bewundern. Ich schätze es ja, wenn versucht wird, Vielfalt zuzulassen und Gastfreundschaft zu signalisieren, aber ehrlich: die Saison ist doch längst vorbei. Noch befremdlicher wurde es, als mir auffiel, dass es am Gendarmenmarkt einen Augustiner gibt (sic!). Aufmerksame LeserInnen werden sich sicher erinnern, dass jüngst am Orleansplatz der Hamburger Fischmarkt war und schon das erschien mir - sagen wir - bemüht. Womöglich habe bereits den fremden Blick und mir ist das früher einfach nicht aufgefallen. das nächste Mal übernachte ich jedenfalls hoffentlich wieder in Neukölln-Nord.

Montag, 1. November 2010

Neues aus der Bahn

Nachdem mich neulich Herr Hausen fragte, warum ich eigentlich nicht Innenarchitektin geworden sei (ich schlug für seine Durchreiche eine Klinkerstein-DC-Fix-Folie und eine Nut-und-Feder-Verkleidung in der Küche vor nebst Himmel-Foto-Tapete), habe ich mich mal genauer mit der Einrichtung der ICEs befasst. In sechs Stunden fällt einem da Einiges auf.

Es erscheint mir verwunderlich, dass in drei Generationen ICE bis heute kein Toilettenpapierhalter gefunden wurde, aus dem sich das Papier ordnungsgemäß abrollen ließe. War es im ersten ICE noch die Plexiglasklappe, hinter der sich das Papier hämisch versteckte, man verzweifelt darin herumfingerte, um mikroskopisch kleine Zellstofffitzelchen zu ergattern, ist es heute die blaue Röhre. Nun sieht man nicht mehr, ob sich Papier dahinter befindet oder nicht, das Problem ist das Gleiche. Meist findet sich irgendein rowdyhafter Fahrgast, der dann kurzerhand die Klappe öffnet.

Mich fragt ja nie einer und wenn, wären die bestimmt nicht für DC-Fix-Dekorationen zu haben, aber so ein Grundverständnis für menschliche Bedürfnisse fände ich schon angebracht.

Party on, Wayne


Woran ich mich noch nicht wirklich gewöhnen kann, ist die hohe Dichte an Feiertagen, die zudem in einer Konsequenz begangen werden, die ihresgleichen sucht. Nachdem ich diesmal zumindest bereits am Donnerstag feststellte, warum ich für Montag keine Outlook-Termine habe, war ich insofern vorbereitet, als dass ich für Sonntag Abend einen Pubcrawl vereinbarte. Heute ist aber nicht irgendein Feiertag, heute ist Allerheiligen. Das bedeutet, dass der Pubcrawl mehr oder weniger um zwölf Uhr seinem vorzeitigen Ende entgegentaumelte, denn die Musik wurde ausgemacht, was ja generell ein bisschen die Stimmung tötet. Als wir dann sogar um zwei Uhr aus meinem Lieblings-weil-wie-das-freie-Neukölln-Laden geworfen wurden, war mir klar: Feiertage sind in Bayern eine ernste Sache.