Donnerstag, 28. Oktober 2010

Enthüllungen in der Abendzeitung

Ich hab gehört, der soll sogar Alkohol getrunken haben...

Bürgerpflichten

"Meine Eltern mussten noch nie den Notruf anrufen. Ich musste das letzte Woche zweimal. Das kann auch nur mir passieren" erzählt der junge Mann neben mir. Abitur, Schreinerlehre: "ich will aber noch Design studieren. Was mit Mode", I-Pod, Selbstmitleid. Diese Ankündigungen wecken meine Neugier - was wird den Klassenliebling mit Hochdeutsch und englischsprachiger Freundin am Handy ängstigen("that is a french question - haha - haha - what coulor - haha. Yes. I'm gonna teach you french." weil ja niemand im ICE englisch versteht). Zurück zur Bedrohung: "vor zwei Tagen ist ein Nackter durch Frankfurt gelaufen. Da habe ich sofort die Polizei gerufen". Ah, sage ich, ja, das ist nun wirklich eine bedrohliche Situation. "Ich hatte natürlich keine Angst". Achso, aber warum dann der Notruf? "wenn da Kinder sind" schaltet sich die Dame gegenüber ein "die sollen sowas ja nicht sehen". Sie wohnt am Tegernsee. "Das ist" antwortet Herr Schreiner in spe "meine Bürgerpflicht". "Die Bekämpfung der Nacktheit in der Öffentlichkeit halte ich auch für ein wichtiges Anliegen" stelle ich fest und hoffe auf Ironiefähigkeit der Mitreisenden. "Ja, des is gut, dass der junge Mann Verantwortung übernimmt". Hoffnung tot.

Ich bin froh, dass ich mich in München auf meine MitbürgerInnen verlassen kann. Sollte ich mich je nackt auf die Straße wagen, wird sicher jemand die Polizei rufen, die mich vorsorglich einkesselt, damit kein Kind zu Schaden kommt.

Dienstag, 19. Oktober 2010

rauseskimosieren


Eine Kollegin von mir fliegt Gleitschirm, eine weitere fährt Motorradcross. Die Berggeschichten hatte ich ja bereits beschrieben. Ich bin seit kurzem im Besitz eines Skioveralls.

Der Mann am Nebentisch heute berichtete seinem ersten Date "ich hab ein Wanderkajak". "Ach" antwortete diese und rührte in ihrem Latte Macchiato. "Das ist schon besser als die Canadier, aber auch schwerer zu steuern". Weitere Ausführungen folgen, in denen die Frau mit zunehmender Verzweiflung den letzten Milchschaum aus dem Glas angelt. "Ja, auch Glasfaser hat ihre Grenzen". "ja, das würde ich ja auch gern lernen, aber..." - Pause, in der das Thema elegant beendet werden könnte. "Das kann man ändern, direkt neben Siemens gibt es mehrere Kanuvereine, der eine hat immer Dienstags Übungsstunde, da lernt man rauseskimosieren" - Verzweifeltes Rühren und Schlürfen -

"wenn Du am Ufer gefangen bist, musst Du nicht erst aussteigen, sondern lernst, Dich zu befreien und im Sommer geht es dann an die Isar" "ach". Weitere Gnocchi landen auf meiner Gabel, mehr Milchschaum wird am Nebentisch gekratzt. "Aber ich habe ja eine Steuerungsanlage in meinem Wanderkajak. Da kann ich die ganze Kraft aufs Geradeaus verwenden": Genau. Denke ich.

Sonntag, 17. Oktober 2010

subobjektive Ausreden



Neben meiner Tätigkeit als Profiintegrateuse und Blogschreiberin frage ich ja auch Menschen aus. In der Branche, in der ich das tue, wird oft nach Problemen gefragt oder nach Dingen, die Menschen getan oder nicht getan haben (den Telefonanbieter gewechselt, eine Bank ausgeraubt, die Schuhe nicht zugebunden). Oft können die Menschen dann keine Begründungen nennen, die sinnvoll erscheinen wie "ich war jung und brauchte das Geld". Im Allgemeinen würde man das dann Ausreden nennen. Wir nennen es subjektive Deutungen. Wenn die häufiger vorkommen, können es sogar subjektive Deutungsmuster sein.
Gemäß dem Motto, in meinem neuen Lebensjahr mehr Tanz in mein Leben zu lassen, wollte ich gestern zum Tango. Aber es hat geregnet. Ganz objektiv war es mir mithin unmöglich, zum Tango zu gehen. Ich verbrachte den Abend auf dem Sofa in steter Reflektion darüber, ob Regen nun ein objektiver Hinderungsgrund oder ein subjektives Deutungsmuster sein könnte. Das Ergebnis war, dass ich eigentlich einfach zu feige bin. Ich tanze schon sehr lange, aber nichts jagt mir mehr Angst ein, als in eine neue "Tänzerszene" zu gehen...Nicht, dass ich das nicht schon häufiger gemacht hätte und jedes Tierchen findet sein - aber sub- wie objektiv war der Regen dann vielleicht ein Hinderungsgrund zu viel. So wie die Aussichten sind, werde ich noch ein paar Wochen über ausreichend objektive Ausreden verfügen.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Peitschenhaar und Killermops

Ich bin in dem Club, in dem angeblich auch David Bowie und Freddie Mercury schon waren, sie sind an diesem Abend nicht da. Bei Herrn Mercury geht das ja auch gar nicht. Die Anwesenden scheinen jedoch mit diesem historischen Teil des Ambientes wenig zu verbinden, außer, dass sie auch die Moet-Flaschen bestellen und entsprechend angeheitert auf dem Tisch tanzen. Wiederholt werden mir peitschenartige Strähnen ins Gesicht geschlagen, als ich versuche, zu Sympathy for the Devil zur Tanzfläche zu gelangen. Der Wurf der eigenen Extensions scheint die neue Form der Selbstverteidigung zu sein, bis ich an einem gebräunten Gesicht mit im Schwarzlicht leuchtenden Zähnen abpralle. Das Gesicht zwar verzerrt, aber faltenfrei mit Mitte Fünfzig. Das allein hätte mich weniger erschreckt, wäre ich nicht beim Vorbeiquetschen am prallen Dekolletee hängengeblieben. Sowohl mit Blicken als auch in realitas. München at its best. Es lebe die leuchtende Tanzfläche.

Freitag, 8. Oktober 2010

tourist

Ich treffe Herrn Pank in Berlin und wie so oft haben wir keine Zeit. Also gehen wir in den Segafredo am Hauptbahnhof. "Dich treffe ich immer an Orten, an die ich sonst nie gehen würde, wie der Segafredo am Hauptbahnhof oder das Einstein in der Friedrichstraße". Aber das seien doch die Orte, an denen Berlinbesucher anzutreffen seien, so Herr Pank und sagt "und Du bist doch Touristin, da passt das doch". Ich habe zwei Taschen in der Hand, so kann ich keine körperliche Gewalt anwenden. Wende mich aber wenigstens schnaubend ab.

Weichei

Jetzt ist es soweit. Ich bin ein Weichei geworden. In TXL steige ich in den TXL ohne Ticket, weil der inzwischen dort angestellte Fahrgastverfrachter angesichts streikendem BVG-Automaten keine andere Möglichkeit sieht, als den MitfahrerInnen mit auf den Weg zu geben, sich bei der nächsten Gelegenheit ein Ticket zu kaufen. Kurz spiele ich mit dem verlockenden Gedanken, einfach 'schwarz' zu fahren, besinne mich dann auf meine Verantwortung im öffentlichen Dienst. Ich kämpfe mich durch die Trolleys und "heinz fährt der wirklich zu hauptbahnhof, entschuldigen sie, fährt der wirklich..." und schaffe es im Stau bis zum Fahrer. "wat wolln sie denn!" raunzt er. "Ich hätte gern ein Ticket" "Bis wohindn für 2,10 oder wat?" äh ja, bitte. Er will, und das hätte ich wissen können, mir kein Ticket für einen Zwanzigeuroschein geben. Mit engelsgleicher Stimme ringe ich ihm das Wechselgeld ab. Zurück auf meinem Platz sage ich zu meiner Nebensitzerin (und fühle mich wie jemand, der im Flugzeug bei der Landung applaudiert) "die berliner Busfahrer sind so unfreundlich, das hatte ich glatt vergessen" - will mir den Mund zuhalten, mich ohrfeigen, nein rufen, nein, das habe ich nicht gesagt! Was hat mich bloß so ruiniert?

Freitag, 1. Oktober 2010

Ambivalenz

Eigentlich wollte ich entweder:

a) einen unglaublich begeisterten Blogbeitrag über meinen ersten Wiesnbesuch schreiben oder
b) in schwermütige Betrachtungen über die bayerische Lebensart auf der Wiesn verfallen.

Vielleicht erwarte ich inzwischen zu viel, vielleicht bin ich auch schon zu integriert, aber nach fast zwei Mass Hellem und einem halben Brathendl im Dirndl auf einer Bank zu stehen und bei Abba-Songs mitzusingen kommt mir nicht einmal befremdlich vor. Auch die Betrunkenen, die eindeutigen Angebote und das übereindeutige, ja sagen wir, offensive Verhalten der bereits gematchten Paare überraschte mich nicht wirklich. Denn genau das hatten mir alle bereits im Vorfeld erzählt/gewarnt/geschwärmt. Vielleicht habe ich auch einfach schon zu viel Erfahrungen mit Singstar-Abenden zu 80er und Hütten-Hits. Beeindruckt hat mich allerdings, dass selbst im Dirndl eindeutige Schichtvarianzen zu erkennen sind, Habitus ist offenbar kein leerer Begriff.