Sonntag, 26. September 2010

I love you, but I've chosen vegetables


Ich habe eine neue Liebe entdeckt. Als ich mit Ms. Moon Lebensmittel einkaufe führt sie mich in einen bayerischen Edeka. Und nachdem bereits Edeka an der Hasenheide mein persönlicher Lieblingsort ist, muss ich nun einen weiteren hinzufügen.

Der Edeka im Einstein. Obwohl in Eile kann ich mich nicht losreißen vom liebevoll polierten Gemüse. Die Auberginen sind weiß, aubergine oder gefleckt und glänzen wie - ja - Auberginen. Ich will welche kaufen, nur um sie zu Hause zu bewundern. Wie im Rausch flaniere ich durch Gänge, unterstützt vom vollsten Verständnis von Frau Moon, die auch Supermärkte liebt. Es mag Ausdruck der bereits vollzogenen Gentrifizierung sein, dass dieser Supermarkt auch glutenfreies Bier führt...Tatsächliche Schönheit sehe ich aber nur in den Auberginen, den Grapefruits, den Äpfeln. Ich bekam jüngst einige Karotten mit dem Namen purple haze geschenkt und frage mich, ob deren Verzehr Grund für meine neue vegetale Begeisterung ist.

Sonntag, 19. September 2010

Den Oberkiefer in die Tischplatte und die Hendl zum Himmel

Langsam wird das mit der Integration ein Selbstläufer, der klischeeartige Ausmaße annimmt. Beim Steckerlfischessen (geräuchert-gebratene Makrele am Spieß) zum Wiesnanfang (Beginn des Oktoberfests) im Westend (für Frankfurt: Bockenheim, für Berlin: Kreuzberg zwischen 61 und 36) begegnete ich einer Vielzahl in Tracht gekleideter Personen. "Is dös dei oidi" war Frage eins, Frage zwei richtete sich auf meine Herkunft. Haha. Berlin. Haha. Schon hatten wir ein gemeinsames Thema gefunden, denn, so scheint es, liebt es der bestimmte Schlag der Autochthonen, sich über einschlägige Redewendungen und Begriffe dem Fremden anzunähern. Eine Art Gratissprachkurs also. Wenn man Hunger habe, so der Autochthone, müsse man fragen, ob man erst den Oberkiefer in die Tischkante hauen müsse. All das in einer schnelleren und gewandteren Formulierung.
Allerdings provoziere ich dieses Verhalten auch durch Nachfragen, wie sie die ethnografisch geschulte Soziologin als zweite Natur angenommen hat. Aktives Zuhören, Nicken und Lächeln scheint die Ansässigen zu provozieren. Das wird weiter ausgetestet.

dark munich - gefühlt VI

Ich will heute mein, seit Tagen unangeschlossenes, Fahrrad in den Hof bringen und sehe das:

Wenn ich mich diesem Zustand hermeneutisch annähere, eröffnet sich Folgendes: Die Münchner haben gewissermaßen das gleiche Aggressionspotenzial wie die Neuköllner. Aber die Unterdrückung des Gefühls entlädt sich zeitweise in perfiden Akten, wie der säuberlichsten Einbringung eines Kaugummis in das Hofschloss. Wo andere - sprich - vernünftige Ordnungswidrigkeitenbegeher schlicht die Reifen zerstochen oder den Panther geklaut hätten, wird hier Hinterlist im großen Stil sichtbar. Häh: ich machen ja gar nichts Böses, nur was Fieses.
Ich bin - gelinde gesagt - enttäuscht. Freud lasse ich an dieser Stelle mal ruhen und gehe stattdessen mit Nagellackentferner runter.

Freitag, 10. September 2010

urbanes Leben

Mein Nachbar begegnet mir im Flur, in seinen Taschen silberne Flaschen und es ragen zwei Spitze Speere heraus. "Nicht erschrecken" sagt er, "mich schockt hier nichts mehr" sage ich. "Warum" fragt er. Ich beschreibe ihm, dass alle MünchnerInnen verrückte Dinge tun. Welche, will er wissen. Wandern, Klettern, Mountainbiking setze ich an. Wo das Verrückte sein, will er wissen. Ach nichts, möchte ich abwinken, sage dann aber, dass ich aus einer Stadt komme. Falsche Antwort, denke ich sofort.

Ob München keine Stadt sei, will er wissen. Ähja, neinweil, doch, klar ich muss jetzt dringend zum Briefkasten. Aber ein schönes Wochenende! Wird er haben, mit dem Gaskocher, den Stöcken, Pfeilen, Stäben und dem Nylon. Ich bleibe dann mal in der "Stadt".

Mittwoch, 8. September 2010

Changes

Ein weiterer Beleg führt zum Verdacht, dass mich München verändert hat. In Berlin wurde ich bei einem Brunch (zu dem ich mich nicht unverkatert und auf jeden Fall unausgeschlafen geschleppt hatte) für eine Yogalehrerin oder Physiotherapeutin gehalten. Ich sähe so gesund und beweglich aus.

Ich kann mich nicht erinnern, dass zu mich Berliner Zeiten jemand auf den ersten Blick für gesund und beweglich gehalten hätte. Leider hatte ich damals das Hobby heiteres Beruferaten noch nicht, aber Yogalehrerin hätte sicher niemand gedacht. Glaub ich. Internistin vielleicht.

Sonntag, 5. September 2010

Frau ohne Eigenschaften

Bei einem kurzen Heimausflug stellten meine zurückgelassenen Sozialkontakte fest, dass ich - überraschenderweise - schon voll in München integriert sei. Selbst "Mei" rutschte mir mitunter ungestellt heraus. Dennoch hatte diese Integrationsdiagnose einen schalen Beigeschmack. Bin ich so formbar, so frei von Eigenschaften, dass ich mich überall anpasse? Von erfolgreicher Integration wird gesprochen, wenn außerdeutsche Migranten sich 'integrieren'. Gern werden (in einschlägigen Populärmedien) Beispiele der zweite-Generation-Einwandererin aus der Türkei gebracht, die nun bei Daimler in der Personalabteilung arbeitet. Reicht es bei mir schon für Paula aus Berlin, die sich, ohne eine Parallelgesellschaft zu bilden, akzentfrei in die bayerische Kultur eingefügt hat und nun statt Buletten Fleischpflanzerl isst? Oder sollte ich den Versuch einer Parallelgesellschaft starten und hier eine Currybude eröffnen?